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EIN NAUTISCHER SPAZIERGANG

Während die Ostsee-Region im Sommer von Besuchenden überflutet wird, gehört sie sich im Winter wieder selbst. Die Sommertouristen sind schon lange abgereist, Rollläden verstecken die kleinen Fenster vieler Ferienhäuser.

 

Ich bekomme ein Gefühl dafür, wie es in Orten wie Ahrenshoop vor 100 Jahren gewesen sein könnte: Vom Meer und dem Bodden umgeben, mal stürmisch, mal friedlich, leise, zurückgezogen und herzlich - so schlummern die Küstenstädtchen im Winter. 

Der Himmel in Ahrenshoop ist gefühlt ein bisschen größer als in anderen Küstenorten.

Diese Weite und Klarheit, die Künstlerinnen und Künstler schon lange magisch anzieht, ist im Winter noch ein Stückchen weiter, denn die Strände sind fast menschenleer. Das Meer ist wild, während ein Sturm aufs Festland drückt. Der Wind ist eisig und gleichzeitig so erfrischend.

 

Ich ziehe mir die Wollmütze noch weiter ins Gesicht, die Hände werden eisig, sobald ich sie zum Fotografieren aus den Fäustlingen hole.

 

Ein paar wenige Strandspaziergänger stemmen sich gegen den Wind und sputen sich, in die warme Stube zu kommen, denn jeden Moment könnte es ein dröhnendes Donnern geben. In Zingst werfen russischsprechende Angler ihre Ruten aus.

Ich bekomme immer wieder die Möglichkeit zu kleinen Gesprächen. Und so erzählt mir die Besitzerin der Pension "Haus Antje" von den immens gestiegenen Immobilienpreisen im Ort.

 

Aber nicht nur Immobilienpreise schießen durch die Decke, allein der Gang zum Friseur oder einfach mal Essengehen sind für sie zum Luxus geworden, trotz der Touristen, die hier im Sommer in Scharen kommen. In der kleinen Poststation im Edeka schnappe ich die Wortfetzen zweier Ahrenshooper auf, die darüber sprechen, dass Investitionen in Ahrenshoop bleiben statt abzuwandern. 

Beim Lagerfeuer im Hafen Althagen tauschen sich die Bewohner über die Touristen aus, es scheint ein tiefes Durchatmen durch die Reihen zu gehen. Endlich mal wieder den Ort für sich haben. In Zingst stehen gefühlt fast alle Ferienhäuser und -wohnungen leer. Auch Zingst gehört sich wieder - mehr oder weniger - selbst. 

In einem Hauseingang in Zingst entdecke ich eine Sammlung kleiner Buddelschiffe, handgefertigt, jedes ein kleines Kunstwerk aus Holz und Glas. Eine Tradition, die still und unbemerkt vom Aussterben bedroht ist – genau wie das Ostseefischen. Ich stelle mir vor, wie geduldige Hände die winzigen Masten setzen, Segel spannen und Rümpfe in die Flaschen manövrieren. Ein Handwerk, das einst Seeleute an langen Winterabenden pflegten, nun fast vergessen, versteckt hinter Fenstern, die kaum jemand beachtet.

In Ahrenshoop klart der Himmel auf, das Gras in den Dünen leuchtet gelb bis golden und der Himmel azurblau. Ich lasse mich von der Faszination Ostseeküste mitreißen und drücke auf den Auslöser. 

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